Wie in anderen Branchen auch, bestimmen im Gesundheitswesen noch immer Brief, Fax und E-Mail die Kommunikation zwischen Krankenhäusern, Ärzten und den Leistungserbringern. Dies wollen die beiden Famedly Gründer – Dr. Phillipp Kurtz (im Foto: links) und Niklas Zender, mit ihrem Messenger jedoch verbessern. Dabei setzen Sie mit dem Matrix-Protokoll auf eine äußerst spannende Verschlüsselungstechnologie.
Herr Dr. Phillip Kurtz, kurz und knapp: Pitche Eure Geschäftsidee?
Unsere Idee: Daten und Informationsaustausch im Gesundheitswesen zu digitalisieren und zu vereinfachen.
Wir wollen Leistungserbringende im Gesundheitswesen miteinander vernetzen und ihnen helfen, wieder mehr Zeit für das Wesentliche zu haben: Die Behandlung und Pflege von Patient:innen. Der Messenger ist unser erstes Produkt, eigens auf den klinisch-medizinischen Kontext angepasst.
Was genau war der Auslöser für den Start in ein eigenes Business?
Während unseres praktischen Jahres haben mein Gründungspartner Dr. Niklas Zender und ich die Missstände der Kommunikation während des Klinikalltags selbst erlebt: Kommunikation und Datenaustausch passierten ausschließlich papierbasiert und über Fax.
Da haben wir uns gedacht: Das geht einfacher, sicherer, schneller und digitaler. Sicherlich hat mir bei der Entscheidung für den Start in ein eigenes Business auch die Tatsache geholfen, dass ich aus einer Unternehmerfamilie komme.
Was macht das Geschäftsmodell einzigartig – was ist der USP?
Die Einzigartigkeit des Messenger besteht darin, dass wir mit der Architektur und den Standards in die Zukunft denken. Wir wollen, dass sich Software an die Strukturen im Krankenhaus anpasst und nicht, wie bisher, andersherum.
Durch das Open Source Protokoll Matrix und den medizinischen Standard HL7 FHIR ist das möglich. Unser Ziel ist es, durch Famedly die Kommunikation im Gesundheitswesen so einfach wie möglich zu gestalten und das alles ohne Datenschutzbedenken.
Ein simples Beispiel ist, dass das medizinische Personal beim Austausch über die Patient:innen Klarnamen nutzen kann.
Ebenso wollen wir durch die Famedly-Technologie verschiedenste Software miteinander verbinden und damit einen sicheren Datenaustausch ermöglichen. Dadurch hat das medizinische Personal mehr Zeit für die Patient:innen und muss weniger Zeit für bürokratische Tätigkeiten aufwenden.
Wo siehst Du die Zielgruppe bzw. wer sind die Wunschkunden?
Leistungserbringer:innen im Gesundheitswesen sehen wir quasi überall – von der Pflege bis zur Uniklinik, über Apotheken bis zur Krankenkasse. Wir möchten das gesamte Gesundheitswesen miteinander vernetzen. Dabei sind vor allem Unikliniken durch ihre Größe, die Prozesse innerhalb des Hauses und Verbindungen nach außen interessant für uns.
Wie viel Geld wurde bis zum Start investiert und wie lange war die Vorlaufzeit?
Die Idee für den Messenger kam uns im Jahr 2018, während des Studiums. Beim Berliner
Startup Stipendium und Exist Gründerstipendium erhielten wir 200.000 Euro – damit gelang der MVP für erste Pilotprojekte. Der richtige Markteintritt erfolgte dann in diesem Jahr – dicht gefolgt von den ersten regulären Kund:innen.
Wie sieht es mit der Einnahmeseite aus – auf welchem Weg werden Geldrückflüsse erzielt?
Aktuell realisieren wir bezahlte Integrations- und Pilotprojekte in verschiedenen Gebieten des Gesundheitswesens. Zudem erhalten wir von unseren Kund*innen eine monatliche Nutzungsgebühr (SaaS).
Welche Werbe- bzw. PR-Aktion hat bis dato für den größten Bekanntheitsschub gesorgt?
Am meisten Aufsehen hat bisher vor allem die Pressemitteilung über die Zusammenarbeit mit der Regulierungsbehörde (gematik) erregt. Wir geben uns aber größte Mühe, dass Famedly kurz- und langfristig weiter an Bekanntheit gewinnt und das Gesundheitswesen durch unseren Messenger weiter digitalisiert wird.
Welche Vision verfolgt Du und welche Schlagzeile würdest Du gern mal über das Unternehmen lesen?
Ich möchte die tägliche Arbeit von medizinisch-pflegerischen Fachkräften erleichtern und ihnen die Möglichkeit geben, sich wirklich auf die bestmögliche Arbeit mit den Patient:innen konzentrieren zu können.
Deshalb wäre auch eine Schlagzeile wie die folgende toll: “Endlich wieder Zeit für die Patient*innen – Dank Famedly hat das medizinische Fachpersonal wieder Spaß an der Arbeit“.
Auf welche 3 Tools/Apps kannst Du bei der täglichen Arbeit keinesfalls verzichten und warum?
In meiner täglichen Arbeit kann ich nicht auf Famedly, Asana und Hubspot verzichten.
Was bedeutet für Dich persönlich Erfolg – worauf kommt es wirklich an?
Für mich ist Erfolg nicht eindimensional. Viele Faktoren spielen eine Rolle: persönliche, gesellschaftliche, emotionale – aber auch finanzielle.
Wahrscheinlich würde ich mich selbst als erfolgreich bezeichnen, wenn ich mit Überzeugung den Satz sagen könnte: Das, was ich tue, macht unsere Welt ein bisschen besser und bereichert mein eigenes Leben. Erfolg ist also eher ein Gefühl und weniger eine klar messbare Kennzahl.
Welchen Fehler würdest Du aus der eigenen Erfahrung heraus jungen Gründern ersparen?
Wahrscheinlich keinen, denn aus Fehlern lernt man eine ganze Menge.
Welche Frage sollte sich eine Gründerin bzw. ein Gründer mindestens einmal gestellt haben?
Was mache ich hier eigentlich gerade? Denn das bedeutet meistens, dass man es geschafft hat, die Zeit zum Reflektieren zu finden.
Mit welchen drei Worten würdest Du dich selbst beschreiben?
Ich würde mich vor allem als offen, ehrlich und freundlich beschreiben.